Vorwort

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Zivilisatorische Entwicklungen sind eng mit politischen und kulturgeschichtlichen Gegebenheiten sowie landschaftlichen Ausformungen verbunden.

Seit dem Paläolithikum besiedelt, ist das Salzkammergut von Salzabbau, Salzhandel und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Einkommen geprägt. Eine gesamte prähistorische Ära, die keltische Hallstattzeit (Hall ist das germanische Wort für Salz) ist nach ihm benannt. Markant erscheint auch die Zeit der Reformation und Gegenreformation im 16. und 17. Jahrhundert, in der religiöse und territoriale Verlaufslinien bzw. -strukturen innerhalb Europas und damit auch in der Steiermark neu gelegt, rückgeführt und weiter verzweigt worden waren.

Das Ausseerland als steirischer Teil des Salzkammergutes bildet ein besonderes Zentrum diverser Denk- und Handlungsmuster und ist charakterisiert durch seine dezentrale Lage, seine Rückzugsmöglichkeiten und die technischen Einrichtungen der Salzgewinnung. Seine Salzstöcke, die Seen, Wälder und eine eindrucksvolle Karstlandschaft im Hochgebirge weisen diese Region seit dem 19. Jahrhundert als Kur- und Tourismusgebiet aus. Seither diversifizierte die Spannbreite von regionaler und überregionaler Wirtschaftsbedeutung, adeligen Einflüssen seit den Babenbergern und dem Selbstbewusstsein als kaiserliche Sommerfrische das Gebiet zusätzlich.

Ebenso bezeichnend für die Region ist ihre Anziehungskraft für Künstler, Literaten, Schauspieler, Komponisten und Intellektuelle wie Arthur Schnitzler oder Hermann Broch, von Johannes Brahms und Gustav Mahler, Hugo von Hofmannsthal oder Jakob Wassermann bis hin zu einheimischen Persönlichkeiten wie Klaus Maria Brandauer und Barbara Frischmuth, die in der besonderen Atmosphäre des Ausseerlandes ihr Schaffen intensivieren.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Salzkammergut zum nationalsozialistischen Rückzugsgebiet, auserkoren sowohl als Urlaubsort als auch als Teil der mythischen „Alpenfestung“, dem einerseits in konformistischer und aktiver Haltung begegnet wurde und andererseits vielfach mit sogenanntem passivem Widerstand.

Wanderung vom Albert-Appel-Haus (1.638 m) zur Schoberwiesalm - Altaussee  (720 m), Abstieg ca. 5-6 Std.Wechselseitige Wirkungen von landschaftlichen Gegebenheiten und Besonderheiten, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen, Interessen, Strukturen und Einvernahmen sind für den öffentlichen Raum, der sensibel ausgelotet und in seiner historischen, gegenwärtigen und zukünftigen Relevanz untersucht sowie im öffentlichen Bewusstsein gespiegelt werden will, von herausragender Bedeutung.

Die Künstlerin Eva Grubinger, die schon länger mit diesen Themen im Salzkammergut beschäftigt ist, gab den Anstoß zu einer Idee, die sie gemeinsam mit Dirck Möllmann für das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark/Universalmuseum Joanneum zu einem Konzept entwickelte, das auf subtilen künstlerischen Interventionen in diesem Gebiet basiert. Daraufhin konnten wir regional tätige Persönlichkeiten aus den Bereichen Wissenschaft, Forschung, Naturschutz, Wirtschaft, Kultur, Geschichte und Regionalentwicklung, Zeitzeugen sowie die Kulturtheoretikerin Kathrin Busch, den Autor Martin Herbert und ausgesuchte österreichische und internationale Künstlerinnen und Künstler dafür gewinnen, in intensivem Austausch und mit ausführlichen Ortserkundungen weitere Überlegungen zur Thematik der politischen Landschaft anzustellen: Clegg & Guttmann, Eva Grubinger, Florian Hüttner, Angelika Loderer, Susan Philipsz und Bojan Šarčević schlugen ortsspezifische und höchst konzise Arbeiten vor, die im Gebirge, im urbanen Bereich des Ausserlandes und in Graz als steirischer Hauptstadt im dortigen Kunsthaus positioniert und breit reflektiert werden sollen.

Erkundung, Sensibilisierung und Öffnung von realen Bedingungen, Zusammenhängen und Strukturen stehen in diesem Projekt Entdeckungen, Positionierungen und präzise erdachten und realisierten Ergebnissen gegenüber, die nicht als Abschluss, sondern als dynamische Fragen im Zusammenhang mit kollektivem Gedächtnis, subjektivem Erleben und reflektiertem Umgang von allgemeiner Bedeutung zu sehen sind.