Der Partisan 
Riesenmuschel (Tridacna gigas), zwei Muschelhälften:
Tal 25 x 40 x 13 cm; Berg 28 x 50 x 20 cm; Gesamtgewicht 17 kg

Das riesige Meeresgewächs steht unter Artenschutz. Die hiesige Verwendung erfolgt unter Beachtung  des Washingtoner Artenschutzübereinkommens CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora). Es handelt sich bei dieser Riesenmuschel um ein vom österreichischen Zoll beschlagnahmtes Stück. Hier im Kunsthaus werden zwei Aufnahmen der Orte präsentiert, wo die Riesenmuschelhälften befestigt wurden. Eine Hälfte der Muschel befindet sich unter der Brücke der Bahnhofstraße in Bad Aussee (586 m), die andere Hälfte am Karl-Stöger-Steig über der Weißen Wand (1575 m), Wanderweg 201, zwischen Loser-Hütte und Hochklapfsattel.

IM TAL

sarcevic-bild2-rgbUnter der Brücke in der Bahnhofstraße. Ein alltäglicher und unwirtlicher Ort, ausgestattet mit einer Haltebucht und Informationstafel am Ortseingang, ohne nennenswerte Geschichte. Sie entsteht nun durch das Kunstwerk, eine zweiteilige Muschel aus der andern Hälfte dieser Welt, die den niedrigsten und den höchsten Punkt des Projekts Politische Landschaft symbolisch miteinander verbindet. Ebenso finden die am weitesten auseinander liegenden Positionen zusammen sowie der einzige städtische mit einem naturbelassenen Ort im Toten Gebirge.

Auch in Bad Aussee wurden die Nationalsozialisten 1938 überwiegend willkommen geheißen. Auch hier fanden sich Menschen zur geheimen Opposition in der Region zusammen wie die Tarras und Gaiswinklers. Im Wissen um diese Zusammenhänge nimmt allein der Werktitel von Šarčević, Der Partisan, das bis heute umstrittene Thema auf, wenn im Tal überhaupt darüber gesprochen wurde. Die Erinnerung im Ausseerland blieb über Jahrzehnte geteilt in ein Für und Wider zum Widerstand. Die Unterstützer haben wenig darüber gesprochen und die Gegner haben ihn lieber tot geschwiegen. Diese Haltung verändert sich langsam.

Die vom österreichischen Zoll konfiszierte Muschel lässt mit ihrer Deplatzierheit und in all ihrer würdevollen Naturschönheit, eine lakonische Interpretation zu. Im Ausseerland gab es politisch denkende Menschen mit Feingefühl für Unrecht und menschliche Hilfe in der Not. Sie waren in aller Stille so politisch und so aufmerksam wie die raue Landschaft, in der sie aufgewachsen sind, und die sie geprägt hat. Es gibt diese Haltung immer noch. Die andere aber auch. Wie die zwei Hälften einer Muschel.

IN DEN BERGEN

sarcevic-bild3-rgbDer schroffe Steig mit kurzen Kletterpassagen wurde vor einigen Jahren ausgebaut. Von der Loser Alm auf dem Weg 201 weggehend, trifft man am Hochklapfsattel (1694 m) auf den Weg 212. Vor der Augstwies trennt er sich wieder in die Pfade 201 Richtung Albert-Appel-Haus und 212 Richtung Wildenseealm. Dorthin hatte sich Ernst Kaltenbrunner am 7. Mai 1945 abgesetzt und seiner Ergreifung vorläufig entzogen. Der Oberösterreicher Kaltenbrunner war seit 1943 Chef der Sicherheitspolizei und der SD sowie Leiter des Reichssicherheitshauptamtes. Er hatte bis zuletzt Zugang zu Hitler. Trotzdem schien er auf Begnadigung und Kooperation mit den Alliierten zu hoffen. Er wurde am 12. Mai 1945 mit Hilfe einiger Männer des Widerstands in einer Jagdhütte verhaftet, die heute noch steht. Die Verfolgergruppe startete auf der Loser Alm und könnte eine ähnliche Strecke genommen haben wie der Verlauf des Bergsteigs 201.

ÜBER DIE ARBEIT VON BOJAN ŠARČEVIĆ

Eine Riesenmuschel aus der Südsee taucht im Toten Gebirge auf – für Bojan Šarčević erlangen Material und Ding durch formale Reduktion und Ortsverlagerung eine andere Bedeutung als Kunstwerk.

Sarcevic-Arbeit-rgbMit dieser künstlerischen Methode erschließen die skulpturalen Arbeiten von Šarčević klar strukturierte Räume für neue und ästhetische Erfahrungen. Wenn z. B. für World Corner (1999) eine Ecke aus einem Abbruchhaus in den Niederlanden entfernt und an anderer Stelle, in einem Galerieraum in Deutschland, wieder eingebaut wird, dann produziert die Versetzung und Ersetzung einen Überschuss an Bedeutung. Das Ding ist immer noch in Funktion wie eine Ecke und zugleich mehr als eine Ecke, weil sie die Partikel ihrer Geschichte mit den vorhandenen Informationen des neuen Ortes verbindet. Das Werk kann im übertragenen Sinne als Bild für existenzielle Ortswechsel gelesen werden und macht sie so der visuellen Erfahrung anderer aus anderen Ecken der Welt zugänglich. Die drei Dimensionen, mit denen Šarčević als Bildhauer arbeitet, beziehen dabei auch die Zeit mit ein. Nicht als messbare Größe wie bei einer Uhr, sondern als die Eigenzeit meiner Erinnerung, meiner Auffassung des gegenwärtig Gegebenen und meiner Erwartung an das Zukünftige. Geschichte wird in seinen Werken zum ästhetischen Moment einer subjektiven Wahrnehmung, selbst wenn er auf urgeschichtliche Zeiten anspielt.

So ist das Faltengebirge der Alpen durch Kontinentaldrift vor Jahrmillionen entstanden. Die Kalkformationen des Toten Gebirges enthalten auch Rückstände urzeitlicher Fossilien. Šarčević schafft nun eine seltsame Klammer: in Bad Aussee will an einer vielfach unbeachteten Stelle einerseits und andererseits im Toten Gebirge unweit eines Wanderweges je eine Hälfte einer Riesenmuschel (Tridacna gigas) installieren. Das monumentale Meeresgewächs stammt aus der Südsee und steht unter Artenschutz. Eine hiesige Verwendung ist nur mit Erlaubnis des österreichischen Zolls möglich. Im Tal als Zierde auf Beton und künstlich verwachsen mit dem Hochgebirge überbrückt die Muschel Zeiten und Räume auf befremdliche Weise. Das offene Gehäuse wirkt zwar schutzlos seiner Umgebung ausgesetzt, es ist zugleich aber auch, wie der Unterstand des Igel, ein Befestigungselement in der Berglandschaft.